Kein Produkt entsteht aus dem Nichts, auch wenn es sich in westlichen Konsumgesellschaften häufig so anfühlt. Supermarktregale sind wie von Zauberhand stets gefüllt, fast alles steht durch Onlineshops und Expresslieferungen nahezu jederzeit zur Verfügung. (Es sei denn, es ist gerade Lockdown.)
Dabei hat “jede Konsumentscheidung […] Auswirkungen auf das Leben von Menschen in fernen Ländern, auf Tiere, das Klima, die Umwelt oder alles zusammen.” Es liegt also nahe, mit dem eigenen Einkauf etwas besser machen zu wollen. Vom Einkaufszettel als Stimmzettel hört man tatsächlich nicht umsonst: Der private Konsum macht immerhin laut Statistischem Bundesamt "einen Anteil von rund 53 Prozent am Bruttoinlandsprodukt aus.”
Im Grunde ist es auch nicht falsch, mit dem privaten Konsum die eigenen Werte und Überzeugungen zu manifestieren. Und, logisch: Jedes nachhaltig produzierte Kleidungsstück, in dessen Herstellung niemand ausgebeutet wurde, weder Mensch noch Natur, ist deutlich besser als jedes herkömmlich hergestellte Teil. Weil auch wir daran glauben, dass soziale Gerechtigkeit und dass ethischer Konsum essenziell sind, gibt es MOEON.
Das Märchen vom ethischen Einkaufen
Dennoch sind damit nicht alle Probleme gelöst. “Das Märchen vom ethischen Einkaufen klingt so schön, weil es uns vieles so einfach macht.” Es macht aber leider nicht automatisch zum besseren Menschen. Letztendlich bleibt es ein Privileg, sich diesen Konsumstil leisten zu können, und schließt all jene aus, die nicht das nötige Kleingeld dafür zur Verfügung haben. “Die Überheblichkeit, die manchen zu Kopf steigt […] führt zu immer mehr sozialer Ausgrenzung und Arroganz.” Tatsächlich zeigt sich in Studien, dass Menschen sich egoistischer verhalten, nachdem sie “ethisch korrekt” konsumiert haben. Teilweise führt das sogar so weit, dass Konsument*innen mehr klauen oder betrügerisch handeln.1
Abgesehen davon ist unser Wirtschaftssystem nach wie vor auf Massenkonsum ausgerichtet. „Deshalb ist es schwer vorstellbar, wie der Einzelne diese starken Kräften des Status quo etwas entgegenzusetzen haben könnte”, heißt es in einem Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Der Wandel durch Konsum passiert viel zu langsam, um wirklich viel bewirken zu können.
Außerdem sollte ethisches Konsumieren nicht zur Ersatzhandlung für ethisches Handeln werden. Wenn nämlich durch jede Einkaufsentscheidung das Gefühl entsteht, dass man schon das Möglichste getan hat, um zur Verbesserung der Klimakrise beizutragen, führt das häufig zu einer Entpolitisierung sowie zu Ausgleichshandlungen in anderen Lebensbereichen. Sozialwissenschaftler nennen das den “Patchwork-Charakter” des Umweltverhaltens. “Damit ist gemeint, dass auch Menschen, die starke ökologische Überzeugungen haben, sich oft nur in bestimmten Bereichen umweltfreundlich verhalten.” So kauft ein Patchwork-Öko zwar beispielsweise konsequent Biolebensmittel, fliegt dafür aber zweimal im Jahr in Urlaub. In der Bilanz hat der Bio-Einkauf letztendlich keine große Auswirkung, außer eben auf das Gewissen der Konsumierenden.
Eine Frage von Macht und Verantwortung
Darüber hinaus bleibt bei dem alleinigen Fokus auf ethischen Konsum “das Wohl der Näherinnen in Bangladesch und der Kaffeebauern in Guatemala […] von unseren Shopping-Entscheidungen abhängig.” Das ist eine Menge Verantwortung, die damit auf Einzelpersonen abgewälzt wird. Diese Verantwortung sollte vielmehr in der Hand von Staat und Unternehmen liegen.
Gerade große Unternehmen haben eine wirkvolle Handlungsmacht. 2017 wurde von der gemeinnützigen Organisation CDP (Carbon Disclosure Project) durch jährliche Befragungen der 3.700 weltweit größten Unternehmen herausgefunden, dass seit 1988 mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen von nur 100 Unternehmen verursacht wurden. Dabei geht die Hälfte all dieser Emissionen auf nur 25 Konzerne zurück, darunter ExxonMobil, Shell, BP und Chevron.2
Ein Weg, Investoren und Unternehmen zu einem nachhaltigeren Wirtschaftsweg zu bringen, kann zum Beispiel eine CO2-Bepreisung sein. Es gilt also, politisch Druck aufzubauen, um etwas zu ändern. Möglichkeiten, sich zu engagieren, sind zum Beispiel: demonstrieren gehen, in einer NGO mitarbeiten, Petitionen aufsetzen, verbreiten und unterzeichnen und sich mit anderen Aktivist*innen vernetzen. Das Gute daran ist: “Das können auch Menschen, die sich keine Bio-Produkte leisten können.”
Text: Kathrin Weins
Illustration: © Tanya Teibtner