Warum nachhaltige Mode ein feministisches Thema ist - Moeon

Warum nachhaltige Mode ein feministisches Thema ist

“Feminismus oder Tod”, so lautet der Titel des Buches von Francoise d’Eaubonne - der Frau, die als eine der ersten die Zusammenhänge zwischen Klima- und Geschlechterkrise erkannt hat. Durch ihr Werk wurde der Begriff des Ökofeminismus geprägt. Beide Krisen lassen sich demnach auf eine willkürlich geschaffene Hierarchie zurückführen: das kapitalistische Patriarchat.

Treffend beschreibt Emilie Hache, Professorin für ökologische Philosophie, den Zusammenhang der beiden Krisen: Frauen1 würden als minderwertig betrachtet, weil sie Teil der Natur seien, und die Natur wiederum könne missbraucht werden, weil sie weiblich konnotiert sei.2 So sind Frauen von Klimakatastrophen nachweislich deutlich stärker betroffen als Männer: Laut der UN ist das Risiko für Frauen, bei einer Klimakatastrophe zu sterben, vierzehn mal höher als für Männer3 - womit sich der eingangs erwähnte Titel “Feminismus oder Tod” als erschreckend treffend bewährt.

Die höhere Vulnerabilität von Frauen gegenüber den Folgen der Klimakrise lässt sich dadurch erklären, dass “weiblich sozialisierte Menschen […] tendenziell weniger Möglichkeiten [haben] sich zu schützen, da sie oftmals erschwerten Zugang zu Informationen, weniger finanzielle Mittel und weniger Mitspracherecht haben.”4 Durch das Fehlen von Frauen in politischen Entscheidungsgremien sind auch die Lösungsansätze, die zur Bekämpfung der Klimakrise vorgeschlagen werden, von patriarchalen Denkmustern geprägt. z.B. werden bestimmte Sektoren stärker vor Umweltkatastrophen und deren Folgen geschützt als andere.5

 

Frauen und Natur

"Wenn die Hälfte der Bevölkerung strukturell benachteiligt ist, dann macht das auch die Gesellschaft als Ganzes anfälliger für Klimaschocks”

Marina Andrijevic, IIASA

 

Würde man Frauen stärker mit in diese Entscheidungen miteinbeziehen, würde das ganz anders aussehen, so Marina Andrijevic, Ökonomin vom International Institute for Applied Systems Analysis: "Wenn die Hälfte der Bevölkerung strukturell benachteiligt ist, dann macht das auch die Gesellschaft als Ganzes anfälliger für Klimaschocks.”6 Laut einer Studie des Journals Nature Communications sei es zur Bewältigung und Prävention von Klimakatastrophen notwendig, Frauen mehr Mitspracherecht zu geben, da sie die Gefahren aus dem eigenen Leben kennen und wissen, was geändert werden muss, um ihr Umfeld sicherer zu machen.7 Eine weitere Studie, erschienen im European Journal of Political Economy, stellt außerdem einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der weiblichen Abgeordneten und den CO2-Emissionen des Landes her: Dieser sei umso niedriger, je mehr Frauen im Parlament sitzen.8

 

“Egal, wo ökologische Zerstörung stattfand, immer waren es Frauen, die sich erhoben."

Vandana Shiva, Klimaaktivistin

 

Historisch wurde die Frau stets der Natur zugeordnet, während der Mann für das Kulturelle stand. Mit diesem längst überholten Dualismus hat es aber nichts zu tun, dass Frauen sich gemeinhin mehr um Natur und Umwelt kümmern. Vandana Shiva, eine seit den 1970er Jahren als Ökofeministin bekannte Klima-Aktivistin, erklärt diese Tendenz folgendermaßen: “Egal, wo ökologische Zerstörung stattfand, immer waren es Frauen, die sich erhoben, und zwar nicht, weil ihre Gene ihnen sagten, dass sie der Natur näher stünden, sondern weil es ihnen überlassen war, sich um die grundlegenden Dinge des Lebens zu kümmern, um Nahrung und Wasser und Brennstoff und all die Dinge, die nicht als Arbeit gelten, die nicht als Teil der Wirtschaft betrachtet werden. Sie hatten also die Aufgabe, sich um diese grundlegenden Dinge zu kümmern, die die Gesellschaft aufrecht erhalten, und so wurden sie zu Experten für Nachhaltigkeit, für Ökologie und für das Überleben.”9

Auch heute noch kämpfen für diese Themen vor allem Frauen. Die Vorreiterinnen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future sind vorwiegend weiblich - beim ersten internationalen Klimastreik 2019 betrug der Frauenanteil unter den 1,6 Millionen Streikenden 70 Prozent.10

Die Verbindung zwischen Ökofeminismus und Mode

Einige Beobachtungen des Ökofeminismus lassen sich ohne Schwierigkeiten auf die Modeindustrie übertragen: Auch hier sind es vor allem Frauen, die unter prekären Arbeitsbedingungen unsere Kleidung herstellen, sich durch die geringen Löhne kaum absichern können, zusätzlich Care-Arbeit in ihren Familien leisten, regelmäßig sexuell belästigt werden und gleichzeitig in Führungs- und Entscheidungspositionen stark unterrepräsentiert sind. Durch ihre wirtschaftlich geschwächte Position sind sie außerdem viel stärker den Folgen der Klimakatastrophe ausgesetzt und haben weniger Möglichkeiten, sich vor diesen zu schützen.

Nachhaltige Modemarken gehen verschiedene Wege, um diesen Kreislauf aufzubrechen. Sie verwenden nicht nur umweltfreundlichere Materialien, setzen auf Recycling und kleinere Produktionen. Sie zahlen auch faire Löhne an ihre Textilarbeiter*innen, um diese zu mehr Selbstständigkeit und der eigenen finanziellen Absicherung zu ermächtigen. Viele bieten ihren Mitarbeitenden darüber hinaus Möglichkeiten an, sich weiterzubilden sowie Arbeiter*innenverbände zu formen. Damit setzen diese Marken in ersten Schritten das um, was auch der Ökofeminismus anstrebt: Endlich damit aufzuhören, die Ressourcen von Natur und Menschen auszubeuten, sondern stattdessen deren Rechte zu stärken.11

1 In diesem Artikel bezeichnen die Begriffe “Frauen” und “Männer” lediglich cis-Frauen und cis-Männer. Natürlich sind auch andere sozial benachteiligte Gruppen von den Auswirkungen des kapitalistischen Patriarchats betroffen. Da es jedoch leider kaum Studien gibt, die diese Gruppen miteinbeziehen, kann in diesem Text von diesen Personengruppen nicht ausreichend berichtet werden. 
https://reporterre.net/Emilie-Hache-Pour-les-ecofeministes-destruction-de-la-nature-et-oppression-des-femmes
https://www.bbc.com/news/science-environment-43294221
4 https://www.wecf.org/de/ohne-gehts-nicht-klimagerechtigkeit-braucht-feminismus/
5 https://enorm-magazin.de/gesellschaft/gleichstellung/feminismus/feminismus-und-klimawandel-keine-klimakrise-ohne-geschlecht
https://www.zeit.de/2022/04/klimawandel-auswirkungen-frauen-kinder-forschung
7 ebd.
ebd.
9 https://www.pressenza.com/de/2021/04/frauen-die-die-zukunft-gestalten-vandana-shiva/
10 https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-06/oekofeminismus-frankreich-hierarchie-aufhebung-frau-mann-klimaschutz/
11 https://www.gwi-boell.de/de/2020/11/06/ohne-gehts-nicht-klimagerechtigkeit-braucht-feminismus

 

Text: Kathrin Weins

Illustration: © Tanya Teibtner

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